„Ich bin ein überzeugter und konsequenter Kritiker des Parteien-Parlamentarismus und Anhänger eines Systems, bei dem wahre Volksvertreter unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden.“
Alexander Issajewitsch Solschenizyn, 2007

Dienstag, 2. Mai 2017

Nicht jeden Freitag wird gesteinigt

Die Große Raute hat sich nach Saudi-Arabien begeben und die Aktuelle Kamera, äh, tagesschau.de liefert die Regierungspropaganda dazu. Denn es ist ja nicht so, dass Saudi-Arabien ein komplett demokratiefreier wahhabitischer Gottesstaat ist. Nein, wir wissen, dass es nur den richtigen Glauben braucht, und schon ist 2+2=5. In Saudi-Arabien werden vergewaltigte Frauen als Ehebrecherinnen nach dem Freitagsgebet gesteinigt, aber eben nicht jeden Freitag. Ist das nicht toll?
Und so jubelt Karl-Eduard von Knips unter neuem Pseudonym:

Diejenigen, die am lautesten gegen die Saudis wettern, sind häufig die, die das Land am wenigsten kennen. Anstatt fundierter Urteile bieten sie überholte Vorurteile.“

Und da geht bei mir schon wieder das Aufzählen los...

Erstens: Was es nicht alles gibt, wo Leute am lautesten wettern: gegen Trump, ohne ihn zu kennen, gegen Syrien, ohne je dort gewesen zu sein (Selbst die „Tagesschau“ übernahm die Nachrichten über Giftgasangriffe oder auch jüdische Raketenangriffe direkt von AlNusra und ihrer „syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ aus Mittelengland, ohne auch nur eine Sekunde vor Ort gewesen zu sein.), gegen Ostukraine, Russland, Afghanistan oder Ungarn, ohne es aus persönlicher Erfahrung zu kennen. Müssen sich alle jede Kritik verkneifen, die keine persönliche Erfahrung haben? Da wird das Eis unter den Füßen der Regierungspropagandisten aber dünn. Das Gleiche kann man jetzt nämlich auch für Lob einfordern.

Zweitens: Die Leute, die niemals vor Ort waren und sich trotzdem erfrechen, eine eigene Meinung zu haben, haben sie hauptsächlich durch jene Informationen, die ihnen von den Medien übermittelt wurden. Und wer sind diese Medien hauptsächlich? Richtig, ARD und ZDF, Bild und Spiegel. Also bitte, fasst euch doch mal an die eigene Nase: wäret ihr Pinocchios, wäre die auch lang genug um sie sogar im Dunkeln zu finden.

Drittens: Wenn die Medien wahrheitsgemäß über die Zustände in dem Land berichten, in dem Frauen nicht einmal Auto fahren dürfen und das übrigens eine klare Rechtstrennung nicht nur zwischen Mann und Frau sondern auch zwischen Saudi und Ausländer kennt, von Gläubigen zu Ungläubigen mal ganz zu schweigen, dort also etwas Staatspolitik ist, gegen das sich das Weltbild vom rechten NPD-Rand wie ein multikultureller Kindergeburtstag unter Regenbogenfahnen darstellt, dann kann man sich durchaus ein Urteil bilden.

Viertens: Welche Kompetenz muss ein Jubelschreiberling ihrer Hosenanzüglichkeit noch mitbringen, außer der Fähigkeit, ihren Speichel zu lecken und dabei so zu tun, als wäre es der eigene der von der Zunge tropft? Denn allein diese zwei Sätze sind ein glänzendes Beispiel dafür, wie man im zweiten Satz den ersten Satz zerlegt. Denn der erste Satz ist ein ganz einfaches Vorurteil, wie es im zweiten Satz abgelehnt wird. Ein Journalist mit Hirn hätte sich den zweiten Satz gespart und dafür den ersten einfach wieder gelöscht – hätte keiner gemerkt.
Aber der Propagandaauftrag war scheinbar wichtiger.

Aber so schnell gibt die neutrale Wahrheitsschau nicht auf.

Merkels Sache ist das nicht.“

Weiß Putin das auch? Oder Trump?

Sie hat in Dschidda genau zugehört und hingeschaut.“

Ach. Wieso tut sie das zuhause nicht?
Und wieso bekämpft sie zuhause jene, die das bei ihr tun?
Und wieso tut sie es nicht bei ihrem Lieblingssultan?

Sie hat festgestellt: Saudi-Arabien ist ein Land im Umbruch. Heute ist dort sehr viel mehr möglich als noch vor ein paar Jahren.“

Toll, dass sie in ein paar Stunden „Gespräche“ mit natürlich rein zufällig vorbeischneienden Alltagssaudis ein komplettes Bild der dortigen Gesellschaft abliefern kann.

Religionsfreiheit, Eigenständigkeit der Frau, Gleichberechtigung aller, die Möglichkeit abweichender Lebensentwürfe oder sexueller Ausrichtungen gehören jetzt nicht gerade dazu und auch an der Todesstrafe für Beleidigung des Propheten oder Herabwürdigung des Islam oder der Kritik am Königshaus wird jetzt nicht gerade gerüttelt, aber ansonsten, puh, ja, da brummt es. Also, wo genau kann man jetzt diesen Umbruch feststellen?

Interessant ist nämlich, dass der Schreiberling jeglichen Nachweis schuldig bleibt. Er empört sich zwar, dass sich Leute erfrechen, sich ein Urteil zu bilden, wo es doch so viele tolle Argumente gäbe um sie als Vorurteile zu entlarven, lässt dann aber den tumben Medienkonsumenten argumentativ im Vakuum stehen. Man pöbelt zwar jeden an, der sich trotz mangelnder Informationen ein Urteil zu bilden wagt, verzichtet aber großzügig darauf, die Leute zu informieren.
Äh, was genau war jetzt nochmal der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Zwangsgebührenfernsehens? Die Information der Menschen oder das Verbreiten von Jubelmeldungen und Parteipropaganda der Regierenden?

Gerade bei der Rolle der Frauen, so die Kanzlerin, habe sich viel geändert - das hatte Merkel von den saudischen Unternehmerinnen gehört, mit denen sie sprach.“

Oh ja, die dürfen Unternehmerin sein. Also die Arbeit als Unternehmerin machen. Natürlich muss ein Mann das mit Unterschrift genehmigen. Und ihr jeden Vertragsabschluss tätigen. Denn Frauen dürfen nicht nur ohne Einwilligung eines Mannes nicht arbeiten sondern auch keine Verträge abschließen oder eigene Konten führen. Vom Autofahren reden wir lieber nicht. Und daran ändert sich auch bis heute nicht viel.

Also, auch hier, bitte mal eine konkrete Nennung der Dinge, die sich geändert haben sollen. Ausgerechnet die Aussage jener Frau, die der Meinung ist, gegen die destruktive Kraft eines religiösen Weltbildes wie dem der Saudis würden Weihnachtsgeschichte und Blockflötenmusik helfen, ist mir persönlich nicht genug. Ich hätte gerne Fakten. Wer kann sie liefern, wenn nicht einmal die Hauptnachrichtensendung des Bundesweiten Verbandes der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dazu in der Lage scheint?
Gibt es überhaupt welche? Oder sind die „alternativ“ und daher lieber verschwiegen?

Was soll's, es geht in diesem Ton weiter. Keine Argumente, keine Fakten, nur Jubel über die weise Politik ihrer Alternativlosigkeit, die sich mütterlich-besorgt bereit erklärt, die Saudis auf ihrem schweren Weg in eine glanzvolle Zukunft zu begleiten.

Kein Wort davon, dass die Saudis eher ein kräftiger Kunde der Waffenindustrie sind und sich gerade einen Hochtechnologie-Grenzzaun mit Wachtürmen und Drohnen made in Germany haben in die Wüste betonieren lassen, gegen den Trumps Mauer zu Mexiko wie ein besserer Bauzaun wirkt, oder dass sie Hauptinvestoren in vielen deutschen Konzernen und by the way auch in der Deutschen Bank sind, dass sie Deutschland gerne islamistische Entwicklungshilfe in Form hunderter geschenkter Moscheen für Merkels Gäste liefern und und und.

Aber alles ist toll. Alles ist super.
Und nicht jeden Freitag wird gesteinigt.
Da wissen Assad, Putin, Trump und Orban und ähnliche Feinde der Freiheit wenigstens, was sie falsch machen: Sie kaufen den Deutschen zu wenige Waffen ab und sind zu wenig in DAX-Konzernen beteiligt.

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